Brauchen Männer weniger Berührung als Frauen?

Mich interessiert eine Frage und ich hoffe, wir können die Antwort gemeinsam finden:

Ich bin aktuell mit meiner Frieda in einigen Mutter-Kind-Kursen dabei und kann sehr schön beobachten, dass Mädchen wie Jungen die Nähe zur Mutter lieben, die Berührungen genießen, danach rufen und sie einfordern. Das ist auch ganz logisch, nachdem bei gewünschtem Kontakt im Körper hormonelle Prozesse in Gang gebracht werden. Wir brauchen diese Nähe, um uns sicher, geborgen und geliebt zu fühlen, was wiederum nötig ist, um gesund wachsen zu können – das ist bei Jungen wie bei Mädchen gleich. Das Bedürfnis nach Nähe scheint sich bei Beiden im Laufe des Erwachsen-werdens unterschiedlich zu entwickeln.

Zeitraffer: Aus den Jungs sind nun Männer geworden. Aber was ist auf diesem Weg passiert, dass mir Frauen auf der Massageliege sagen, dass sie so wie von mir noch nicht berührt worden sind trotz lebenslanger Beziehung? Ich selbst kann rückblickend bestätigen, dass die meisten Männer weniger kuschelbedürftig waren, als ich. Mir wurde sogar mal gesagt, meine Vorstellungen seien aus Liebesfilmen entsprungen. So etwas gäbe es in der Realität nicht.

Das müsste ja bedeuten, dass im Erwachsenenalter nur wir Frauen Oxytocin-Junkies sind und die Männer es nicht mehr brauchen, um sich geliebt und geborgen zu fühlen. Was ist also mit der Empfindsamkeit der Männer passiert? Warum berauben sie sich selbst dieses wundervollen Gefühls der Berührung und Nähe? Ist das wirklich so uncool, seine Gefühle zu zeigen, Verletzlichkeit zuzulassen, auch mal sanft zu sein? Meine Theorie ist es, dass unsere Gesellschaft, die Erziehung, die gelernten Rollenmuster den heranwachsenden Jungs das Fühlen abtrainiert haben.

Wenn ich diesen Blog-Beitrag nun veröffentliche, hoffe ich insgeheim auf einen Aufschrei und Veto der Männer. Ich bin sehr auf die Rückmeldungen gespannt. Wer sich aber angesprochen fühlt von dem Thema, den lade ich herzlich zu meiner ersten Gruppenveranstaltung „Raum für Achtsamkeit, Begegnung und Berührung“ am 16.06.18 ab 16 Uhr in der Villa Amoenitas in Crimmitschau ein. Ich habe diese Vision, das Fühlen wieder mehr unter die Menschen zu bringen. Das fängt vor allem bei uns selber an und zieht dann seine Kreise im Außen. Ich freue mich auf Euch und auf Eure Rückmeldungen.

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4 Kommentare zu “Brauchen Männer weniger Berührung als Frauen?

  1. Interessantes Thema. Ich habe anstatt Veto oder Aufschrei eine Bestätigung:
    Die angelernten Rollenmuster (durch Erziehung, Gesellschaft und Trends) sind sehr mächtig. Es wird den Jungs „abtrainiert“, ja psychologisch abgewöhnt. Wer sich zum Kuscheln begibt, wird abgestempelt, ausgelacht, ausgegrenzt. Das ist so. Das geht bis hin zum Stempel „Ein Mann muß ein Mann sein, kein Weichei“. Entweder oder! Das scheint eine betonierte Regel zu sein. Interessanterweise nicht nur auf Jungsebene oder im Männerkreis, sondern auch von weiblicher Seite. Wer wird als „männlich“ anerkannt? Wer eben „stark“ daherkommt oder ist. Paradoxerweise „leiden“ aber viele dieser Frauen durch diese „starken“, scheinbar gefühllosen Männer. Was kann man(n) tun?
    Sowohl als auch? Stark sein können, aber auch sanft. Vielleicht erkennen, daß Sanftheit genauso eine Stärke ist. Es geht ja nicht um Perfektion, sondern um ein liebevolles Miteinander und Hineinfühlen können. Es gibt Hoffnung.

    1. Dankeschön, dass Du etwas Licht in meine Frage bringst. Es war auch meine Vermutung. Und du hast auch recht, selbst die Frauen sind durch ihren starken Wunsch, in der Männerwelt akzeptiert zu sein, härter geworden – zu sich selbst und zu anderen. Und jetzt bin ich ganz ehrlich: Ich ertappe mich immer wieder selbst, wie schwer es mir fällt, meinem Freund meine Schwäche zuzugestehen. Ich werde geleitet von dem Gedanken „Das schaffe ich schon. Ich brauche Niemanden.“ Doch so ist es nicht. Es ist so ein wundervolles Gefühl, sich mal fallen lassen zu können, nicht immer stark zu sein. Das stelle ich auch bei meinem Freund fest. Auch er braucht es mal, schwach zu sein und nicht immer funktionieren zu müssen. Ja, wir dürfen uns gegenseitig auch in unseren Schwächen viel mehr annehmen und lieben. Wie gelingt Dir dieser Spakat zwischen stark sein und sanft? Alles Liebe, deine Yvonne <3

  2. Ja, liebe Yvonne, das stimmt, selbst die (gesuchte) Akzeptanz von Frauen in der Männerwelt verändert/verdrängt die weibliche Seite. Ich beobachte ja schon mein Leben lang vieles und wundere mich. Männer denken/fühlen anders als Frauen. Die einen nutzen mehr die eine Gehirnhälfte, andere die andere. Und dann gibt es noch die Intuition, das Bauchgefühl. Soviele Gaben und geniale Möglichkeiten. Trotzdem gibt es immer wieder Mißverständnisse bis hin zu Zerwürfnissen oder gar abgrundtiefen Haß. Leider.
    Wenn ich aber beobachte, daß die einen „senkrechten“, die anderen „waagerechten“ Linien/Mustern folgen und beide „recht“ haben, aber es nicht sehen? Daß ein Miteinander möglich ist?
    Ich habe immernoch in mir eine unauslöschliche Hoffnung, ja Gewissheit, daß es Wege gibt, beide Seiten miteinander zu verbinden, ohne daß sich eine Seite „aufgeben“ oder gar auflösen muß. Ja mehr, noch: jeder trägt seine Fähigkeit zu einem gemeinsamen Miteinander bei.
    Vor etlichen Jahren habe ich mal anlässlich einer Hochzeit folgendes gehört:
    „Wenn Mann und Frau zusammen kommen, trifft sich die Kraft mit der Liebe. Wie schön ist es, wenn dann im miteinander leben und wachsen aus der Kraft die liebevolle Kraft wird, und aus der Liebe die kraftvolle Liebe!“
    Das ist doch der Idealfall einer Partnerschaft mit Weisheit, oder?
    Das auf andere Bereiche (Beruf, Tätigkeit, Heilung, Hobby,..) übertragen, finden sich immer wieder Beispiele, was passiert wenn sich die „Richtigen“ zusammenfinden:
    geniale Projekte und Visionen werden ins Leben gerufen und realisiert. Auch Kinder sind solche genialen „Effekte“.
    Was könnten Wege dahin sein?
    Aus dem „Das schaffe ich auch allein“ könnte zB die Erkenntnis werden: „Ja, aber gemeinsam macht es mehr Freude!“
    Aus dem „Schwäche zugestehen müssen“ könnte werden:
    „Ich achte mich selbst, meine Grenzen und Bedürfnisse. Ich spreche sie auch aus, das bin ich mir wert.“
    Aus dem „funktionieren müssen“ herausgehen können, eine Art Feierabend gestalten und sich auch was Gutes gönnen dürfen. Vielleicht sogar müssen, zum Auftanken. Genießen erlauben.
    Sind das „Schwächen“? Von der sogenannten Leistungsgesellschaft aus gesehen vielleicht. Aber vom Herzen her betrachtet menschliche Grundbedürfnisse. Vielleicht macht unser Standpunkt viel aus 🙂
    Tja, ob mir der Spagat gelingt? Gute Frage. Der Spagat scheint mir kein sicherer „Standpunkt“ zu sein (im übertragenen Sinn) 😉 Wenn ich so darüber sinniere, kommt mir der Satz: „Alles zu seiner Zeit. Und möglichst in einem gesunden Verhältnis“ 🙂
    Schöne Theorie, oder? Die Praxis muß ich mir aber nun selbst auch annehmen, irgendwie zwischen dem funktionieren-müssen-Zyklus und todmüde-ins-Bett-fallen.
    Liebevolle Umarmung

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